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Interview mit Christa N. am 18.10.2022 im Kreisky-Archiv. Das Interview wurde gekürzt und anonymisiert.
Transkript Peter Wackerlig.

Christa N.

Also zum ersten Mal mit dem Thema wurde ich konfrontiert, wie die Freundin von meinem älteren Bruder schwanger geworden ist. Der musste mit 19 Jahren heiraten. Das war damals so üblich, also wenn man nicht ein fieser Mensch sein wollte, dann musste man die schwangere Freundin heiraten. Dann war aber natürlich die Angst von meinen Eltern: Um Gottes Willen, nicht dass der Christa das auch vielleicht passiert und die hat dann nicht einen, der sie gleich heiratet und so. Also das war dann die ständige Angst von meinen Eltern. Daher hat meine Mama auch zu mir gesagt, was es für Möglichkeiten gibt. Die einzige Möglichkeit, die sie mir gesagt hat, war, dass unser Hausarzt damals Injektionen gibt, aber die wirken nur, wenn man, weiß ich: Die Regel hätte angenommen am Montag kommen sollen, und am Mittwoch war die Regel noch nicht da, dann wirkt die Injektion noch. Aber wenn man länger wartet ...

Steiner

Dann ist es zu spät, praktisch?

Christa N.

Dann ist es zu spät, genau. Okay, ich habe also mit 17 den ersten Geschlechtsverkehr gehabt. Das war für damalige Verhältnisse eigentlich spät, denn für die meisten war es schon viel früher. Ich bin sehr behütet aufgewachsen, na gut, es hat sich halt nicht ergeben. (Lacht.) Mit den ersten Burschen ist das gut gegangen, da ist nichts passiert. Ich war Turniertänzerin, bin also in die Tanzschule, und wir haben jeden Tag trainiert und so. Mein Papa hat darauf bestanden, dass ich immer um 10 Uhr am Abend bei der Haltestelle sein muss. Aber unser Training hat bis um 10 Uhr am Abend gedauert, also ich hab noch so rennen können, es ist sich einfach nie ausgegangen. Jedes Mal ist immer das Geschimpfe vom Papa. Dann hab ich mir gedacht: Was kann ich machen, dass der Papa nicht dauernd schimpft. Da bin ich auf die Idee gekommen, ich frag einfach meinen Tanzpartner, ob er mich heiratet, denn dann ist das erledigt. Ganz genau.

Steiner

Darf ich kurz einmal lachen? Das ist eine großartige Geschichte.

Christa N.

Na ja, ich hab es nicht so großartig gefunden damals.

Steiner

Aber Sie haben sich das so überlegt, dass Sie der Kontrolle des Vaters entkommen, indem Sie einfach heiraten?

Christa N.

Ja, und der Papa war sofort einverstanden, denn anscheinend war ihm die Verantwortung für mich ein derartiges Problem, dass er froh war, wenn er das Problem an wen anderen ... Außerdem war ich dann verheiratet und dann kann ich Kinder kriegen so viel ich will. Das war die Überlegung von meinen Eltern, also haben sie mich mit 18,5 heiraten lassen. Wohnung hat er mir eine hergerichtet, eine kleine Zimmer-Küche-Wohnung mit Gangklosett, wie halt damals üblich. Dann haben wir geheiratet. Da ist natürlich dann schon vorgekommen, dass - Pille hat es ja damals auch noch keine gegeben. Dann bin ich halt immer brav, wenn die Regel nicht gekommen ist, um eine Injektion gegangen. Die hat damals 100 Schilling gekostet, war eigentlich viel Geld. Das habe ich, sagen wir, ungefähr 20 Mal praktiziert.

Steiner

Darf ich kurz unterbrechen? Ich hab noch nie davon als Verhütungsmethode gehört. Da ist eine Flüssigkeit in die Gebärmutter eingeführt worden, oder war die Injektion eine Spritze?

Christa N.

Eine Spritze.

Steiner

Eine Spritze. Also in die Vene?

Christa N.

Ja.

Steiner

Aha, was war das für eine Spritze?

Christa N.

Keine Ahnung.

Steiner

Hab ich noch nie gehört. War das damals verbreitet?

Christa N.

Anscheinend schon.

Steiner

Ist das interessant! Da merkt man, wie wenig darüber gesprochen wird.

Christa N.

Ich meine, ich habe auch nie darüber gesprochen, weil ich mich ja geniert habe. Das war also eine Schande, als Verheiratete so jung ein Kind zu kriegen.

Steiner

Ja, ja, also von Verhütungsmethoden wird mir der Kalender erzählt, also Tage zählen.

Christa N.

Ja, das haben wir ja eh gemacht. Und natürlich den Gummi.

Steiner

Ja, das Präservativ scheint nicht sehr beliebt gewesen zu sein?

Christa N.

Nein, überhaupt nicht. Außerdem ist das oft runtergegangen, das hast du dann rausfischen müssen, also es war alles andere als ... (Lacht.)

Steiner

War nicht beliebt, gell?

Christa N.

Nein.

Steiner

Und so Scheidenpessare, Kappen, eher nicht? Spirale hat es nicht gegeben. Pille hat es nicht gegeben. Mein Gott, na.

Christa N.

Die Ehe ist nach ... 1959 hab ich geheiratet und 1962 ... Ich hab also dann nur geschaut, dass ich irgendeinen Grund finde, dass ich mich scheiden lassen hab können, und ich hab mich dann eben 1962 scheiden lassen ...

Steiner

Waren die Eltern da recht unglücklich, wie Sie sich wieder scheiden haben lassen nach kurzer Zeit, wenn ich fragen darf?

Christa N.

Na ja, die haben es akzeptiert. Sie haben, glaube ich, eingesehen, dass ich nur deshalb geheiratet hab. Also der Mama hab ich gesagt, ich hab nur deshalb geheiratet, weil der Papa immer geschimpft hat. Dem Papa hab ich es nicht gesagt. Außerdem, wie ich dann drei Jahre verheiratet war, war es mein Bruder schon fünf Jahre, denn der ist zwei Jahre älter als ich. Genau, und der war dann schon fünf Jahre verheiratet. Ich weiß nicht, ob er da auch schon geschieden war, jedenfalls hat er die Frau zweimal geheiratet.

Steiner

Das gibt es auch.

Christa N.

Ja. Ich bin ohne Kind aus der Ehe gegangen. Bei der Scheidung, kann ich mich noch erinnern, dass mein Mann gesagt hat: Na, wer hat denn immer gesagt, pass auf, pass auf? Hab ich gesagt: Sei ruhig! Und er war brav ruhig. Die ganze Scheidung hat maximal 10 Minuten gedauert, und das war erledigt. Er ist halt dann auch bald ausgezogen, er ist wieder zurück zu seinen Eltern gezogen.

Steiner

Gebrochenen Herzens.

Christa N.

Na ja, weiß ich nicht, die Liebe war beiderseits nicht sehr groß. Uns hat nur das Tanzen verbunden. Dann haben wir eigentlich das erreicht, wo wir dann halt wirklich viel Geld ausgeben müssen, dass man sich gute, tolle Trainer leisten kann. Das hätten wir uns eh nicht leisten können, also haben wir beide gewusst, mehr können wir beim Tanzen nicht mehr erreichen, also hören wir eben mit dem Tanzen auf. Dann haben wir überhaupt nichts mehr Gemeinsames gehabt.

Steiner

Sie wollten beide Profitänzer werden, oder wie verstehe ich das? War das ein Traum?

Christa N.

Ja, sagen wir, das wäre so im Hintergedanken, aber wir haben gewusst, da braucht man viel Geld dazu.

Steiner

Was haben Sie dann beruflich gemacht?

Christa N.

Ich hab eine Industriekaufmannlehre gemacht. Ich war als Kind ein ganzes Jahr im Ausland, Kinderverschickung nach dem Krieg. Dadurch war ich dann ein Jahr später dran als die anderen und hab also die Lehre mit 15 angefangen, 16. 17, mit 18 war die Lehre aus. Genau, und nachdem diese Lehre aus war, habe ich geheiratet. Dann habe ich eigentlich meinen zweiten Mann gleich kennengelernt. Das war dann eine echte große Liebe, die bis zu seinem Tod gehalten hat. Das waren genau 50 Jahre, und wir wollten halt ein großes Fest für die 50 Jahre machen. Es ist aber nicht mehr dazu gekommen.

Steiner

Aber es waren 50 gute Jahre?

Christa N.

Es waren 50 schöne Jahre, ja, wirklich. Da ist es uns aber auch einmal passiert, dass die Regel nicht gekommen ist. Das war so ziemlich am Anfang, und da war mein Hausarzt auf Urlaub. Jetzt bin ich umeinandergelaufen und habe mir gedacht, was für eine Ärztin habe ich noch. Habe ich mir gedacht, die Hautärztin, die behandelt meine Kinder, also gehe ich zu der Hautärztin und frage, was ich machen soll. Die hat von der Injektion überhaupt nichts gewusst, die hat gar nicht gewusst, dass es so eine Injektion gibt. Habe ich gesagt: Ja, aber wenn ich sie jetzt nicht bald kriege. Hat sie gesagt, sie kann mir nicht helfen, sie weiß nicht, was das sein sollte. Dann bin ich halt, glaube ich, noch zu irgendwelchen anderen Ärzten gegangen, aber es hat mir keiner irgendetwas machen können. Dann waren natürlich die drei Tage eh schon vorbei, und dann bin ich halt einmal zu einem Gynäkologen gegangen und hab gesagt: Ich bin schwanger, ich will noch nicht schwanger werden, was es halt für eine Möglichkeit gibt. Dann hat er gesagt, ja, dann kommen Sie mit Ihrem Partner am Abend her. Ich tu einen Anästhesisten engagieren, das machen wir unter Narkose. Der Mann kann dabei sein und zuschauen oder was – keine Ahnung. Er sagt dann aber nicht, ob das ein Bub oder einer Mäderl gewesen wäre, das kommt nicht in Frage. Er hat mir eigentlich einen späteren Termin gegeben, also nicht gleich prompt, sondern einen Monat oder so später. Das war natürlich eine grausliche Zeit.

Steiner

Da waren Sie schon sicher, dass Sie schwanger sind?

Christa N.

Ja, da war ich schon sicher.

Steiner

Haben Sie da schon Kinder gehabt?

Christa N

Nein.

Steiner

Okay, das war praktisch das erste Mal?

Christa N.

Ja.

Steiner

Aber Sie haben es schon gespürt, dass ...

Christa N.

Ja, ich hab gleich in der Früh Brechreiz und alles gehabt. Wie halt dann der Tag war, das hat 5.000 Schilling gekostet. Das ist aber ganz, wie gesagt, mit Narkose und mit allem Drum und Dran. Dann hab ich noch Überwachung vom Blutdruck gehabt, und er hat mich erst gehen lassen, bis alles wieder ganz normal war. Mein Mann und ich sind dann halt zu zweit nach Hause. Das waren meine Erlebnisse mit der Zeit, wo der Schwangerschaftsabbruch verboten war.

Steiner

Wissen Sie noch, in welchem Jahr das war?

Christa N.

Das muss 64, 65 gewesen sein.

Steiner

Können Sie die Stimmung beschreiben? Der Gynäkologe hat doch gleich gewusst, worum es geht, wenn ich das richtig verstehe.

Christa N.

Ja.

Steiner

Und er hat einen zweiten Arzt dazu engagiert?

Christa N.

Ja, er hat gesagt, er macht das nur immer mit einem Narkosearzt. Das dürfte also gang und gäbe gewesen sein. Er hat gleich gesagt, ja, ist kein Problem, aber nur mit dem Narkosearzt. Dann hat er gleich gesagt, das kostet 5.000 Schilling, anders macht er es nicht. Okay.

Steiner

Wie haben Sie von der Möglichkeit erfahren, dass der das macht? Waren Sie das erste Mal dort?

Christa N.

Ich hab ihn einfach gefragt. Ich hab nicht mehr gewusst, wo soll ich hingehen. Ich hab mir gedacht, okay, bei dem Gynäkologen bin ich halt jedes Jahr zur Kontrolluntersuchung gegangen. Hab ich mir gedacht, ich kenne ihn zwar noch nicht lange, aber er ist sympathisch und ungefähr in meinem Alter und so. Der wird Verständnis haben.

Steiner

Haben Sie Frauen in Ihrem Umfeld gekannt, die auch Abtreibungen gehabt haben oder die darüber gesprochen haben?

Christa N.

Über so etwas ist nie gesprochen worden. Man hat nur gehört, die war bei einer Engelmacherin, hat man gesagt. Dem Moment kommt mir eigentlich zu Bewusstsein, was der Name Engelmacherin bedeutet. Ich hab noch nie darüber nachgedacht.

Steiner

Wobei Engelmacherin hat ja auch bedeuten können, dass man das Kind in Kost nimmt, wenn es geboren ist, und dann sterben lasst, also dass man das wegen dem Kostgeld macht. Es waren ja oft keine Ärztinnen, aber doch Frauen, die das wissen.

Christa N.

In dem Zusammenhang hab ich den Namen Engelmacherin nie gehört, immer nur für eine Abtreibung.

Steiner

Also es ist schon gesprochen worden?

Christa N.

Es ist gesprochen worden, aber wirklich nur ganz leise und ganz selten. Wenn man dann die Mama gefragt hat, wieso geht es denn der im Moment so schlecht: Na ja, die war bei einer Engelmacherin, und deshalb geht es ihr halt jetzt so schlecht. Die sind natürlich oft dann krank geworden. Darum bin ich eigentlich dann, wie ich in derselben Situation war, gar nicht auf die Idee gekommen, da irgendwie im Hintertürlzimmer etwas zu machen, sondern bin eben zum Gynäkologen gegangen. Ich habe mir gedacht, ich genier mich zwar fürchterlich, aber das ist noch immer besser als anders und dass ich mich erkundige, wo eine Engelmacherin ist oder so.

Steiner

Und war das kostengünstiger bei Engelmacherinnen?

Christa N.

Ja, das war kostengünstiger. Ich weiß nicht, wie viel es gekostet hat, aber auf keinen Fall 5.000 Schilling.

Steiner

Dieses "schlecht gehen", waren das Infektionen?

Christa N.

Ja, das waren meistens Infektionen.

Steiner

Sind die dann abgeklungen, oder wie hat man denn diese Infektionen damals behandelt?

Christa N.

Na, die sind dann sogar ins Spital gekommen, wenn es so arg war. Das hat man so nebenbei mitgekriegt.

Steiner

Es war aber auch eine große Angst, nehme ich an?

Christa N.

Ja, und mein Mann hat dann, wie er zugeschaut hat, dass das passiert, gesagt: Ich versprich dir, ich tu dir das nie wieder an.

Steiner

Sie haben die Narkose gehabt, aber er hat es gesehen?

Christa N.

Ja. Ich hab nichts mitgekriegt, ich bin eingeschlafen und eben dann aufgewacht.

Steiner

Aber Ihr Mann war geschockt?

Christa N.

Der war total geschockt.

Steiner

Und wer hat das noch aller gewusst, oder haben Sie sich untereinander ...

Christa N.

Bei mir hat es niemand gewusst.

Steiner

Der Mann und Sie und sonst niemand.

Christa N.

Sonst niemand, nein. Nein, sonst niemand, ich hab mit niemandem darüber gesprochen.

Steiner

Ist das jetzt das erste Mal, dass Sie darüber sprechen?

Christa N.

Ja, ich hab auch mit meinem Mann dann nie mehr über diese Begebenheit gesprochen. Das war tabu, und ich rede heute echt das erste Mal darüber.

Steiner

Das ist bemerkenswert. Wie hat das Ihr Leben damals bestimmt oder verändert? Wie stell ich mir das vor?

Christa N.

Sie meinen, ob ich ein schlechtes Gewissen gehabt hab?

Steiner

Überhaupt nicht, überhaupt nicht das, sondern eher: Wie war das Lebensgefühl für Frauen in einer Zeit, als eine Schwangerschaft eine Katastrophe bedeuten hat können? Wie hat das Ihr Leben beeinflusst?

Christa N.

Also ich war 16, wie mein Bruder hat heiraten müssen, denn der ist genau zwei Jahre älter als ich. Von da an hab ich gewusst, ich will nie in diese Situation kommen. Darum habe ich wahrscheinlich auch die ganzen Männer einfach abgewehrt. Ich hab immer gelacht und bin so drüber hinweggegangen. Du hast jedes Mal die Angst gehabt, wenn du einen Verkehr gehabt hast, na hoffentlich bin ich nicht schwanger worden. Man war sich nie sicher, ob das gutgegangen ist. Da hat man sich das wirklich überlegt, ob du da – so einen One-Night-Stand hat es damals überhaupt nicht gegeben.

Steiner

Das war zu gefährlich.

Christa N.

Da war viel zu viel Angst dabei. Es war immer Angst dabei. Sagen wir, ein richtig positives Gefühl bei dem Geschlechtsgang war eigentlich dann erst da, wie ich dann schon das Kind wollen hab. Dann war ich erst befreit und hab das genießen können.

Steiner

Und dann haben Sie auch Kinder gekriegt?

Christa N.

Ja, ich hab zwei Kinder.

Steiner

Das waren Wunschkinder?

Christa N.

Das waren Wunschkinder. Also der erste nicht so ganz, aber mein Mann hat mich überzeugt. Vielleicht haben wir darüber geredet damals, das weiß ich nicht mehr, über den ersten Abbruch, aber meine Mann hat gesagt: Du, es ist Zeit, wir können Kinder kriegen.

Steiner

War das dann auch mit wirtschaftlichem Aufstieg verbunden? Da waren Sie ja auch schon älter?

Christa N.

Ja, da war ich ja dann schon 35, genau, mein Sohn ist vier Tage nach meinem 35. Geburtstag auf die Welt gekommen. Dann hab ich halt gesagt, ich will eigentlich gleich dann noch ein zweites Kind, dass die nicht so weit auseinander sind, dass die miteinander aufwachsen können.

Steiner

Jetzt muss ich gerade nachrechnen: Wenn Sie 40 geboren sind, war das 75, und dann war der Schwangerschaftsabbruch schon legalisiert.

Christa N.

Ja.

Steiner

Haben Sie mitgekriegt, wie da die Stimmung war, haben Sie das unterstützt, oder wie war das unter den Frauen?

Christa N.

Na, das hab ich gar nicht mitgekriegt. Nein, es hat mich dann nicht mehr so interessiert, denn ich hab gewusst, ich bin verheiratet, es ist alles in bester Ordnung. Wenn ich schwanger werde, dann bin ich halt schwanger.

Steiner

Haben Sie in Ihrem Umfeld diese Veränderungen in den Siebzigerjahren mitgekriegt?

Christa N.

Da war ich wahrscheinlich mit ... 1977 hab ich dann das zweite Kind gekriegt, die waren also nur eineinhalb Jahre auseinander. Da war ich so beschäftigt, Beruf und Kind. Also meine Eltern haben mich sehr unterstützt, muss ich sagen, aber trotzdem war es eine stressige Zeit. Wie gesagt, ich hab das gar nicht mitgekriegt, dass dann plötzlich der Schwangerschaftsabbruch erlaubt war. Wahrscheinlich hab ich in der Zeitung die Überschrift sicher gelesen, aber es war nicht irgendwie, dass mich das berührt hätte.

Steiner

War eigentlich die Angst vor der Schande größer als die Angst vor der Strafverfolgung, wenn ich Ihnen so zuhöre?

Christa N.

Ja, ja, auf alle Fälle. Die Schande ist als ganz großes Damoklesschwert immer über einem gestanden.

Steiner

Und die Angst vor einer Verurteilung, vor einem Prozess war gar nicht so, oder hat man da nicht daran gedacht?

Christa N.

Überhaupt nicht. Warum soll mich wer erwischen, wenn nur der Arzt und ich das wissen?

Steiner

Na ja, es hätte sie jemand denunzieren können, wenn die Beziehung nicht in Ordnung war oder wenn es zu Erpressungen gekommen ist. Haben Sie daran überhaupt nicht gedacht?

Christa N.

Nein, wie gesagt, es hat keine One-Night-Stands gegeben, und dadurch dass ich meinen Mann eigentlich ziemlich schnell kennengelernt habe und gewusst habe, das ist der Richtige, hab ich mit anderen nichts ...

Steiner

... am Hut gehabt. Interessant. Darf ich noch einmal fragen, diese Injektionen: Sie wissen bis heute nicht, was Ihnen da injiziert worden ist?

Christa N.

Nein, ich weiß nur, dass mir da jedes Mal fürchterlich schlecht geworden ist und das hat ziemlich stark wehgetan, wenn dann die Regel gekommen ist. Ich meine, ich habe immer eine starke Regel gehabt, aber die Schmerzen, die ich dann gehabt hab! Wenn das zu der Zeit gekommen ist, wenn ich gerade im Büro war, hab ich nicht mehr arbeiten können. Das hat man mir anscheinend angesehen, denn da hat dann mein Chef jedes Mal gesagt, der Chauffeur soll mich nach Hause führen, er hat Angst, dass ich ihm unterwegs zusammenbreche.

Steiner

Und Ihr Zyklus war so regelmäßig, dass Sie gewusst haben, wenn es an dem Tag nicht ist, dann hole ich mir die Injektion?

Christa N.

Mhm, dann warte ich noch einen zweiten Tag ab, und am dritten Tag quasi lass ich mir die Injektion geben.

Steiner

Aber offensichtlich hat das eine Ablösung der Gebärmutterschleimhaut verursacht?

Christa N.

Ja.

Steiner

Ich hab das noch nie gehört. Das ist interessant, oder?

Christa N.

Mhm. Ich war eigentlich der Meinung, dass das das Übliche ist, aber wenn Sie noch nie davon gehört haben.

Steiner

Es war ja eigentlich keine Verhütungsmethode, sondern es war ein Frühschwangerschaftsabbruch, wenn ich das richtig verstehe.

Christa N.

Ja, ganz genau.

Steiner

Ich hab geglaubt, dass das immer mechanisch, also mit einer Injektion in die Gebärmutter oder so funktioniert hat oder halt mit einer Kürettage, aber nicht mit einer venösen Injektion. Wieder was gelernt. Jetzt schauen wir noch, oder was möchten Sie noch erzählen?

Christa N.

Von mir aus wäre ich fertig. Wenn noch irgendwelche Anhaltspunkte sind, wo Sie noch etwas dazu wissen wollen, müssen Sie halt fragen.

Steiner

Ja, sie haben eigentlich alles beantwortet. An wen haben Sie sich zuerst gewandt? Das wäre der Hausarzt gewesen. Der war aber auf Urlaub. Dann sind Sie zum Gynäkologen gegangen.

Christa N.

Und dann hab ich noch die Hautärztin gefragt, aber die hat nichts gewusst von der Injektion. Sonst hab ich zu der Zeit keine Ärzte gehabt.