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Plakate und Wandzeitungen als historische Quellen

Wahlplakate und Wandzeitungen gehören zu den zentralen Medien der politischen Kommunikation. Sie sind aufschlussreiche historische Quellen zu der medientechnischen Selbstdarstellung einer politischen Partei und deren Abgrenzung gegenüber anderen. Gleichzeitig legen sie auch mentalitätsgeschichtliche Aspekte der Gesellschaft offen. In der Bildauswahl, den Texten, Metaphern und Allegorien werden zeitgenössische Gesellschaftsstrukturen und Geschlechterkonstruktionen, Erfolgskonzepte, Feindbilder etc. sichtbar.
Anhand der etwa 1.600 im Bruno Kreisky Archiv vorhandenen Wahlplakate und Wandzeitungen, die bis 1945 zurückreichen, lässt sich die Veränderung in der Gestaltung und den Motiven von Plakaten im Laufe der Zeit nachvollziehen. In den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik war das vor allem die Entwicklung weg vom textbetonten Plakat hin zum Motiv- und zunehmend auch Portraitplakat.

Motive des Wiederaufbaues

Das politische Programm der SPÖ lässt sich für die Nachkriegszeit mit den Schlagworten "Freiheit – Aufbau – Frieden" zusammenfassen. Dem Wohnbau kam dabei besondere Bedeutung zu. Der Begriff "Wiederaufbau" stand aber auch im Zentrum der Bildsprache und wurde dabei durchaus wörtlich genommen: Mehrfach sind Motive von Bauarbeiten dargestellt, die Republik selbst wird zur "Baustelle", deren Fundament es – auf den Grundfesten der SPÖ – aufzubauen gilt. Einzelne politische Themen werden zu "Bausteinen" oder schemenhaften Gebäudeteilen.

Figuren des Wiederaufbaues: der Arbeiter

Die Figuren in den Darstellungen des Wiederaufbaus sind nach klaren Geschlechterbildern getrennt. Das häufigste Motiv sind männliche Arbeiter, die zumeist Maurer- oder Zimmermann-Arbeiten verrichten und mit handwerklichen Attributen, etwa einer Kelle, einem Hammer oder am Reißbrett dargestellt sind. Die Körper dieser Männer sind markant gezeichnet, oftmals sind sie mit nacktem Oberkörper abgebildet. In jedem Fall wirken sie tatkräftig und gesund. Neben dem "Arbeiter" werden auf den Plakaten noch "der Angestellte" und "der Bauer" dargestellt – und gleichzeitig zu Adressaten der politischen Botschaften. Ein weiteres in diesem Zusammenhang stehendes Motiv ist das der Fabrik, deren rauchende Schlote für Wirtschaftskraft, Wohlstand und Fortschritt stehen. Industrieanlagen werden häufig auch in Verbindung mit schönen Landschaften und ländlichen Idyllen abgebildet, was zu dieser Zeit noch keinen Widerspruch darstellte. Gesamt gesehen wird der Begriff "Wiederaufbau" als männlich konnotierte Metapher verwendet.

Figuren des Wiederaufbaues: Mütter und Kriegswitwen

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stellten Frauen mehr als 60 Prozent der Wahlberechtigten. Dementsprechend wurden sie von der SPÖ als Wählerinnengruppe auch explizit adressiert. Auf den Plakaten sind ihnen die Bereiche Haushalt und Familie zugeordnet. Bevorzugt werden sie als Mütter dargestellt und in den Slogans auch direkt als solche angesprochen. Im Namen ihrer Kinder wird ihnen damit die Verantwortung für die Gestaltung einer besseren Zukunft zugeschrieben. Ein zweites mit Frauen in Verbindung gebrachtes Motiv war das der Kriegswitwe. Mit Parolen wie "Erinnert Euch" wurden Frauen mit Schreckensbildern aus der Vergangenheit konfrontiert, denen die Aussicht auf glücklichere Zeiten gegenübergestellt wurde. Im Gegensatz zu den aktiv "aufbauenden" Männern wurden Frauen – ungeachtet ihrer tatsächlichen Arbeit und Tätigkeiten – auf Plakaten und Wandzeitungen als passiv gezeichnet. Korrespondierend dazu ist die Verdrängung von Frauen aus dem Bereich der Erwerbsarbeit in den Nachkriegsjahren zu sehen.

Figuren des Wiederaufbaues: der Politiker

Die zentrale Fokussierung auf das Portrait einer/eines einzelnen PolitikerIn, die die Gestaltung heutiger Plakate dominiert, war für Wahlplakate und Wandzeitungen der frühen Zweiten Republik noch vergleichsweise unüblich. Diese Form wurde vor allem bei den Persönlichkeitswahlen zum Bundespräsidenten verwendet. Auch hier wurden Metaphern des Wiederaufbauens gebraucht: Karl Renner erhielt etwa den Titel des "zweifachen Baumeisters der Republik Österreich".

Figuren des Wiederaufbaues: die Sozialistische Partei

In den Selbstdarstellungen auf Wahlplakaten und Wandzeitungen stellte die SPÖ in den ersten Nachkriegsjahren häufig historische Bezüge her. Themen waren dabei vor allem das "Rote Wien" der Zwischenkriegszeit, aber auch die Gründung der Ersten Republik. Ein wiederkehrendes Motiv ist das eines einzelnen, kräftigen Arms. Dieser wird zum Synonym für den proletarischen Mann und seinen Körper, in dessen Macht und Willen es nun liegt, das Land wiederaufzubauen. Gängige Motive sind weiters Diskreditierungen der anderen Parteien, im Besonderen der Koalitionspartnerin ÖVP, außerdem ein deutlicher Antikommunismus und zunehmend die Kritik an der alliierten Besatzung.