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UdSSR

ht11ut4-1ht11ut4-2ht11ut4-3aht11ut4-4ht11ut4-5Nach 1945 war lediglich einigen hundert Juden jährlich die Auswanderung aus der Sowjetunion genehmigt worden. Ab 1968 stieg diese Zahl massiv an. Die Schwankungen bei den EmigrantInnenzahlen erwiesen sich in den folgenden Jahren als zuverlässiger Indikator für die Beziehungen zwischen Moskau und Washington. Diplomatische Verstimmungen hatten einen Rückgang der Ausreisebewilligungen seitens der Sowjetunion zur Folge. Österreich war aufgrund seiner geopolitischen Lage als neutrales Land zur wichtigsten Transitstation für insgesamt mehr als 250.000 sowjetische JüdInnen. Die sowjetischen EmigrantInnen wurden nach ihrer Ankunft in Wien in der Regel von der Jewish Agency, der offiziellen Einwanderungsorganisation, in Empfang genommen und wanderten nach einigen Tagen Aufenthalt im Durchgangslager Schönau nach Israel aus.

Am 28. September 1973 geriet Österreich in das Fadenkreuz des Nahostterrors. Palästinensische Terroristen überfielen einen Zug mit sowjetischen jüdischen AuswanderInnen in Marchegg, nahmen drei EmigrantInnen und einen österreichischen Zollwachebeamten als Geiseln und forderten die sofortige Schließung des Lagers Schönau. Bundeskanzler Kreisky erreichte die Freilassung der Geiseln und ließ die Terroristen nach Libyen ausfliegen. Das von der „Jewish Agency“ verwaltete Durchgangslager Schönau wurde geschlossen. Diese Entscheidung brachte Kreisky seitens Israel den massiven Vorwurf ein, vor dem Terror kapituliert und sich einer zu stark proarabischen Politik verschrieben zu haben. Sein Verhältnis zur israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir kühlte nachhaltig ab. Dem Wunsch der arabischen Staaten, den jüdischen Transit durch Österreich grundsätzlich zu unterbinden, kam Kreisky jedoch nicht nach.

Im Konflikt mit Israel um die sogenannten „Dropouts“ – Auswanderer aus der UdSSR, die statt nach Israel in die USA oder in andere westliche Länder ausreisen wollten – sprach sich Kreisky nachdrücklich für die freie Wahl des Ziellandes aus. In den 1980ern ebbte der Zustrom von TransitmigrantInnen als Folge der wieder restriktiveren sowjetischen Haltung deutlich ab. Eine neue Welle der jüdischen Auswanderung setzte erst nach dem Zerfall der UdSSR ein, doch verlor Österreich nach der Einrichtung diplomatischer Vertretungen in den Nachfolgestaaten und direkter Flugverbindungen seine Bedeutung als Transitland. Mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ büßte es auch seine „Brückenfunktion“ zwischen Ost- und Westblock ein.